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Sein Leben

CM

1871 am 6. Mai in München als Sohn des Landschaftsmalers Carl Ernst Morgenstern und seiner Frau Charlotte, geb. Schertel, geboren.

1881 stirbt die Mutter an Tuberkulose.
Heirat des Vaters mit Amélie von Dall’Armi.
Christian kommt zu seinem Paten Arnold Otto Meyer nach Hamburg,
dann wegen der Unverträglichkeit des Klimas in ein Internat in Landshut.

1883 Der Vater erhält einen Ruf an die Königliche Kunstschule in Breslau und nimmt den Sohn zu sich.
Besuch des Maria-Magdalenen-Gymnasiums.
Freundschaft mit Friedrich Kayßler und Fritz Beblo.
Beschäftigung mit Arthur Schopenhauer.

1889 Auf Wunsch des Vaters Besuch einer Militär-Vorbildungsschule.

1890 Wechsel an ein Gymnasium in Sorau.
Freundschaft mit Marie Goettling.

1893 Studium in München. Ertser Ausbruch der Tuberkulose.
Genesungsaufenthalt in Bad Reinerz.
Trennung des Vaters von seiner zweiten Frau.
Rückkehr nach Breslau.

1894 Übersiedlung nach Berlin, Hilfstätigkeit an der Nationalgalerie.
Arbeit für die Zeitschriften „Tägliche Rundschau” und „Freie Bühne”.
Beschäftigung mit Friedrich Nietzsche und Paul de Lagarde.

1895 Am 5. Mai gemeinsam mit Freunden Besuch der Gaststätte auf dem Galgenberg in Werder (Havel); Gründung des Bundes der Galgenbrüder.
Veröffentlichung von „In Phanta’s Schloß”.

1897 Veröffentlichung von „Auf vielen Wegen” und „Horatius Travestitus”.
Übersetzung von August Strindbergs „Inferno” aus dem Französischen.
Auftrag zur Übersetzung der Werke von Henrik Ibsen.

1898 Veröffentlichung von „Ich und die Welt”.

1898-1899 Aufenthalt in Norwegen

1900 Veröffentlichung von „Ein Sommer”.
Kuraufenthalt in Davos.

1902 Veröffentlichung von „Und aber ründet sich ein Kranz”.

1902-1903 Aufenthalt in Rom.
Übersetzung von Werken Knut Hamsuns und Bjørnstjerne Bjørnsen,

1903 Literarischer Lektor im Verlag Bruno Cassirer in Berlin

1905 Veröffentlichung der „Galgenlieder”.

1905-1906 Sanatoriumsaufenthalt in Birkenwerder.
Beschäftigung mit Fjodor Dostojewski, dem Johannes-Evangelium und Meister Eckard.
Kuraufenthalte in den Alpen.

1906 Veröffentlichung von „Melancholie”.

1908 Begegnung mit Margareta Gosebruch von Liechtenstern.
Veröffentlichung von „Osterbuch”.

1909 Rückkehr nach Berlin.
Übersetzung von Werken Knut Hamsuns.
Begegnung mit Rudolf Steiner; Eintritt in die Theosophische Gesellschaft.

1910 Heirat mit Margareta am 7. März.
Veröffentlichung von „Palmström” und „Einkehr”.
Reise nach Italien.
Beginn der Zusammenarbeit mit dem Verleger Reinhard Piper.

1911 Veröffentlichung von „Ich und Du”.
Kuraufenthalt in Arosa.

1912 Kuraufenthalt in Davos.

1913 Übertritt in die Anthroposophische Gesellschaft Rudolf Steiners.
Kuraufenthalt in Porto Roso.
Freundschaft mit Michael Bauer.

1914 am 31. März in Untermais gestorben.
Veröffentlichung von „Wir fanden einen Pfad”.


 

Christian Morgenstern – eine Wanderleben zwischen zwei Kriegen


 

Christian Morgenstern wurde am 6. Mai 1871 in München als einziger Sohn eines Landschaftsmalers geboren. Die ungewöhnlich freien und unkonventionellen frühen Kinderjahre mit langen Aufenthalten in der Natur endeten abrupt, als er mit neun Jahren seine Mutter verlor, die an Lungentuberkulose starb, ein „Leidenserbe“, das 1893 auch ihn selbst erfasste und sein gesamtes Leben bestimmte. Es zwang ihn immer wieder und in immer kürzeren Abständen zu Kuraufenthalten vor allem im alpinen Raum und führte schließlich auch zu seinem frühen Tod am 31. März 1914 im Südtiroler Meran. Der Vater war gezwungen, das Kind zu seinem Paten nach Hamburg zu geben und danach sogar zwei Jahre in ein Internat in Landshut. Nach der Berufung an die Königliche Kunstschule in Breslau nahm der Vater ihn wieder zu sich, so dass er das dortige Gymnasium besuchen und 1892 im nahegelegenen Sorau das Abitur ablegen konnte. In dieser Zeit entstanden einige lebenslange Freundschaften, u.a. mit dem späteren Schauspieler Friedrich Kayssler. Morgenstern arbeitete für die Schülerzeitung und beschäftigte sich mit der Philosophie Arthur Schopenhauers. Er nahm ein Jurastudium auf und belegte einen Kursus in Nationalökonomie. In München, wo er seine Studien fortsetzen wollte, traf ihn der erste Anfall seiner Krankheit und zwang ihn zu monatelanger „Zimmerhaft“. Er nutzte diese Auszeit zu einem intensiven Studium der Schriften Friedrich Nietzsches, der zum eigentlichen „Bildner“ seiner Jugend wurde und seinem emotionalen Widerwillen gegenüber der bornierten wilhelminischen Unkultur eine erste philosophische Grundlage gab. Nietzsches elementare Sprache bestärkte auch seinen Entschluss, eine Existenz als freier Autor zu suchen.

Er fand in Berlin Anschluss an den Friedrichshagener Dichterkreis und knüpfte zahlreiche Beziehungen mit progressiven Literaten. Mit Beiträgen in verschiedenen Kulturzeitschriften machte er sich einen Namen, und sein erster Gedichtband „In Phantas Schloss“ wurde positiv aufgenommen. Der Vater jedoch lehnte diese Entwicklung kategorisch ab und stellte für viele Jahre jede Unterstützung und jeden Kontakt ein.

1897 beauftragte ihn der Fischer-Verlag im Rahmen einer zehnbändigen Ausgabe der Werke Henrik Ibsens mit der Übersetzung seiner Versdramen und Gedichte. In kürzester Zeit eignete er sich die unbekannte Sprache an, bereiste Norwegen und traf auch mehrfach mit dem greisen Dramatiker zusammen, der seine Arbeit begeistert unterstützte. Neben Ibsen übersetzte Morgenstern auch Strindberg (aus dem Französischen), Hamsun und Björnson. Zwischen 1897 und 1902 publizierte er mehrere Gedichtbände und war im Verlag von Bruno Cassirer als freier Mitarbeiter und Lektor tätig. Seinen ersten unerwartet großen literarischen Erfolg erlangte er mit der Publikation der sogenannten „Galgenlieder“ im Jahre 1905. Mit diesen Gedichten schuf er ein bis dahin völlig unbekanntes humoristisch-ironisches Genre aus Sprache, Klang und Rhythmus. Entstanden waren diese innovativen Poesien in der Folge eines Ausflugs auf den Galgenberg in Werder an der Havel im Mai 1895. Der dort begründete Bund der Galgenbrüder etablierte sich in Berlin und entwickelte ein gruseliges Zeremoniell, in dessen Vollzug die von Morgenstern geschaffenen Texte musikalisch verwirklicht wurden. Auch nach der Auflösung des Bundes entstanden bis in die letzten Lebenswochen hinein immer wieder derartige humoristische Texte, die sich allerdings von ihrem begrenzten Anfangsimpuls gänzlich emanzipiert hatten. 1910 erschien der Band „Palmström“, posthum folgten die Bände „Der Gingganz“ und „Palma Kunkel.“ Dass Morgenstern selbst diese humoristischen Gedichte nur für „Beiwerkchen“ hielt, tat ihrem Welterfolg keinen Abbruch.

Von großer Bedeutung für seine geistige Entwicklung war ein monatelanger Aufenthalt im Lungensanatorium Birkenwerder 1906/07. Beim Studium des Johannesevangeliums und der Schriften Meister Eckarts erlebte er eine spirituelle Einweihung. Im „Tagebuch eines Mystikers“ und dem Gedichtband „Einkehr“ schlug sich diese fundamentale Erfahrung künstlerisch nieder. Im August 1908 lernte er in Bad Dreikirchen seine spätere Frau Margareta Gosebruch von Liechtenstern kennen. Sie wurde seine unersetzliche Mitarbeiterin und übernahm auch die Pflege bis zu seinem Tod. Poetisches Zeugnis dieser außergewöhnlichen Liebe war der Gedichtband „Ich und Du“ (1911). Gemeinsam erlebten sie die Vorträge von Rudolf Steiner und fanden beide in dessen Anthroposophie die Erfüllung ihres Suchens. Wenige Wochen vor seinem Tod erschien der Gedichtband „Wir fanden einen Pfad“, Morgensterns künstlerische Antwort auf Steiners geisteswissenschaftliche Forschungen.

Jürgen Raßbach