Geschichte der Bismarckhöhe
Die ehemalige Traditionsgaststätte Bismarckhöhe gehört zu den bedeutenden stadt-, bau- und kulturgeschichtlichen Objekten der Blütenstadt Werder (Havel). Ihr Schicksal war und ist untrennbar verbunden mit dem Wachsen und Werden der Stadt in einem der schönsten Bereiche des Havellandes.
Inmitten des Havelstroms eine Insel, ein Werder, wie es die Slawen nannten. Auf dieser Insel entstand einst die Stadt, sie gab ihr zugleich ihren Namen - Werder. Die herrlich blühenden Obstgärten vor der Stadt und in deren Umland verschafften der Stadt später den Beinamen „Blütenstadt”. Durch die günstige Verkehrslage zu Berlin und Potsdam, mit der Reichstraße 1 von Berlin Richtung Brandenburg, der Bahnlinie Berlin - Magdeburg und der Spree-Havel-Wasserstraße wurde das wachsende und blühende Werder im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zu einem interessanten Ziel der Großstädter. Die vielen tüchtigen Obstzüchter der Region trugen dem schon früh Rechnung und feierten mit den Besuchern ab 1879 alljährlich ihr Baumblütenfest. So entstanden auf den Anhöhen entlang der Havel vom Wachtelberg bis zum Kesselberg Höhengaststätten für die Gäste und die Einheimischen, sich gegenseitig an Größe übertreffend. Zu den damaligen Gastwirten Werders gehörte Emil Knorr, der Betreiber des Hotels Stadt Wien am Markt. Er errichtete 1893 auf dem Galgenberg, dem Südhang des Höhenzuges entlang der Havel, einen Aussichtsturm mit einer Restauration. Sie bekam den Namen „Restaurant Galgenberg“. Gustav Altenkirch, ein Werderaner Obstzüchter und Fruchtsaftpresserei-Besitzer hatte bereits 1890 mit einem einfachen Schankzelt auf seiner Plantage am Galgenberg mit dem Verkauf von Fruchtsäften begonnen. 1894 erwarb er das Grundstück mit dem Restaurant Galgenberg. Er errichtete nun den späteren Kleinen Saal in Verbindung zum bisherigen Aussichtsturm und auf der anderen Seite einen neuen, nun massiven, bis heute erhaltenen, Aussichtsturm. Dem Zeitgeist folgend wurde so aus dem "Restaurant Galgenberg" die "Bismarckhöhe".
Schnell wurde das vorbildlich geführte Restaurant zu einem der bekanntesten und beliebtesten bei Einheimischen und Gästen, besonders den Berlinern. Die nächsten vierzig Jahre waren sowohl Erfolgsjahre gekonnter, gewinnbringender Gastronomie, als auch immer wieder Baujahre zur Vergrößerung, Umstrukturierung und Ergänzung des Gebäudekomplexes und des Areals ringsum. Besondere Höhepunkte in diesem Prozess der Entwicklung der Bismarckhöhe zu einer leistungsfähigen und geschätzten Traditionsgaststätte waren der Bau der Kegelbahn mit Terrassenplätzen, die Errichtung eines Hotelturmes und der Ausbau des dreigeschossigen neuen Turmes mit seiner Aussichtsplattform. Die Werbung mit dem „schönsten Blick auf Werder und dessen Umgegend” war und ist nicht übertrieben. 1905 entstand der einzigartige Große Saal als Ballsaal. Am 14. Dezember 1905 wurde er trotz fehlender Gebrauchsabnahme eingeweiht und erlebte über die Jahre viele zünftige große Feste.
Nach dem Tod des Vaters führte ab 1906 Gustav Altenkirch jun. erfolgreich Restaurant, Hotel und die Fruchtsaftkelterei weiter bis zum Zweiten Weltkrieg. Dies sind vier Jahrzehnte in denen die Bismarckhöhe sich zu einem kulturellen und touristischen Zentrum Werders entwickelte. Gustav Altenkirch jun. verstand es meisterlich, seinem großen Haus ganzjährig Leben zu geben. Bälle, Feiern aller Art, Ausstellungen und sportliche Veranstaltungen machten neben dem gastronomischen Alltag und den regelmäßigen Einladungen zum Tanz das interessante, vielseitige, damit für den Betreiber auch einträgliche Leben aus. Der Zweite Weltkrieg brachte das Ende der Bismarckhöhe als Gaststätte. Sie wurde im Februar 1943 Reservelazarett der deutschen Wehrmacht, ab 1945 dann von der Roten Armee bis 1965 besetzt und so weiterhin der eigentlichen Nutzung entfremdet.
Auch danach gab es keine Rückkehr zur gastronomischen Nutzung, sondern zunächst die Nutzung als Lager der Großhandelsgesellschaft (GHG) Textilwaren, dann als Internat der Betriebs-Berufsschule (BBS) des Volkseigenen Gutes (VEG) Gartenbau und schließlich von 1973 an gleichzeitig als Möbellager des Sozialistischen Großhandelsbetriebs (SGB) Möbel und Kulturwaren Potsdam.
Die langjährige Zweckentfremdung war Ursache vieler baulicher Veränderungen wie auch erheblicher Schäden am Gebäudekomplex. Nach der Zeit der zweckentfremdenden Nutzung folgten Jahre des Verfalls des faktisch herrenlosen Objektes. Der Jahre dauernde Rechtsstreit verhinderte ein öffentliches wie privates Eingreifen, um diesem Prozess Einhalt zu gebieten. Erst 2002 waren die Bemühungen der Stadt Werder (Havel) von Erfolg gekrönt. Mit dem Kauf des traditionsreichen Objektes durch die Stadt keimte die Hoffnung, dem weiteren Verfall nun endlich Einhalt gebieten zu können.